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Ein Gebäude aus Gedanken: Prozesse und Texturen der Reflexion in Marcel Prousts "À la recherche du temps perdu"

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Die reiche Rezeptionsgeschichte von Prousts Erinnerungsroman À la recherche du temps perdu ist auch die Geschichte einer Faszination, begründet nicht zuletzt durch die Vielzahl seiner Perspektiven. Eine von ihnen blieb bisher weitgehend unerkannt - die den Text durchgängig bestimmende Kraft der Reflexion. So wird nicht nur aus der Erinnerung ein Geschehen rekonstruiert, sondern auch mittels der Reflexion ein Denkweg beschritten, in dessen Verlauf sich aus den kontingenten Ereignissen eines Lebens ein allgemeingültiges Fazit ergibt. Hier steht das Ich des Romans mit den Rezipienten in einem intensiven Dialog: Dessen Ziel ist eine generelle, alle Menschen verbindende Wertigkeit des Erkennens. Aus ihr leitet sich, in der letzten, spektakulären Volte des Textes, der Schreibakt eines Werkes ab, das nicht nur ein "édifice immense du souvenir" errichtet, sondern auch, kleiner dimensioniert, ein Gebäude aus Gedanken. [Der 150. Geburtstag ihres Verfassers in diesem Jahr führt nicht zum Altern von Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", sondern macht im Gegenteil deren Frische offenkundig. Die Erfolgsgeschichte dieses Romans ist die Geschichte der Begeisterung seiner Leserinnen und Leser, die zahlreiche Ursachen hat, darunter die Vielfalt seiner Perspektiven. Eine von ihnen blieb bisher unerkannt: die den Text durchgängig bestimmende Kraft der Reflexion. So wird nicht nur ein Geschehen (aus der Erinnerung) rekonstruiert, sondern auch ein Denkweg beschritten, in dessen Verlauf aus den kontingenten Ereignissen eines Lebens ein allgemeingültiges Fazit gezogen wird. Ist das Geschehen in einem Roman, der ein Leben rekonstruiert, singulär und individuell, so zeigt die Reflexion auf, welche generellen Schlüsse es nahelegt. Auf dieser Ebene steht das Ich des Romans, das in den reflektierenden Passagen zu "man" oder "wir" mutiert, mit den Rezipienten in einem permanenten Dialog, dessen letztes Ziel nicht nur ein poetisches Selbstbewusstsein des Werkes, sondern darüber hinaus eine allgemeine, die alle Menschen verbindende Valenz des Erkennens ist. Aus ihr leitet sich, in der letzten, spektakulären Volte des Textes, der Schreibakt ab, sie generiert aber auch - und das sucht die Publikation zu zeigen - ein neues "plaisir du texte", ein bis dato ungekanntes, tiefgründiges Vergnügen des Lesens.]****************The 150th birthday of its author this year does not make Proust's In Search of Lost Time seem old, but on the contrary makes its freshness more obvious. The story of this novel's success is the story of its readers' enthusiasm, which has many different causes, including the range of its perspectives.One of these has previously been unrecognised: the continuous power of reflection that governs the text. Not only are events reconstructed (from memory) but a mode of thinking is entered into, in the course of which a universal conclusion can be drawn from the contingent incidents of a life. If the events in a novel that reconstructs a life are singular and individual, reflection shows the general conclusions it gives rise to. At this level the "I" of the novel, which mutates in the reflective passages onto "one" or "we", is in a permanent dialogue with the readers, the ultimate aim of which is not only a poetic self-awareness of the work but furthermore a general valence of recognition that connects all people. From this derives the act of writing in the text's last, spectacular sleight of hand, but it also generates - as this book aims to show - a new plasir du texte, a previously unknown, profound pleasure in reading.
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