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Als 14-jähriger durch Auschwitz-Birkenau
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Gábor Hirsch
Gegen das Vergessen nicht nur in Ungarn
Bereits vor einigen Jahren hatte ich die Absicht, für meine Söhne schriftlich über meine Familie und über die Verfolgung in den 1940er Jahren zu berichten. Zusätzliche Beweggründe waren, dass ich den Eindruck hatte, dass das Wissen über die Schicksale der Juden von Békéscsaba allgemein sehr lückenhaft, die Literatur über das Schicksal der Juden der Stadt spärlich und fehlerhaft ist. Es deutet nichts mehr darauf hin, dass vor einigen Jahrzehnten hier ein blühendes wirtschaftliches und kulturelles jüdisches Leben herrschte. In der ehemaligen neologischen Synagoge befindet sich heute ein Möbelgeschäft und in der früheren orthodoxen Synagoge ein Vorführraum für Kühlaggregate (Fotos S. 63). In meiner ungarischen Heimatstadt, wo vor dem Krieg ca. 3.000 Juden lebten, sind es heute vielleicht noch 40. Es ist schwierig, zehn Männer für einen Gottesdienst zusammenzubringen. Eine Gedenktafel mit den Namen der Ermordeten gibt es auch nach 67 Jahren nicht.
Als ich mich einmal im Komitats-Archiv nach Deportationslisten erkundigte, fand ich keine. Erst Jahre später erhielt ich in einem Internet-Diskussionsforum auf meinen Beitrag eine Antwort und wenig später (1998) zwei Namenslisten. Es handelte sich um den jüdischen Zensus der beiden jüdischen Gemeinden von Békéscsaba. Es war nicht genau das, was ich suchte, aber immerhin Listen von April 1944, kurze Zeit nach der deutschen Besetzung Ungarns. Diese Listen waren auch die Grundlage zuerst für den Zusammenzug der Menschen in sogenannten "Jüdischen Hausern" ("Judenhäuser") und später auch für die Gettoisierung der jüdischen Bevölkerung. Für die meisten Ortschaften sind diese Listen heute nicht mehr auffindbar, der Gendarmerie-Distrikt Debrecen, wozu auch Békéscsaba gehörte, ist einer der 10 Distrikte, für die Listen erhalten geblieben sind. Ob man sie andernorts vernichtete oder ob sie auf andere Weise verschwanden, weiß ich nicht. Die Listen weniger Gemeinden erschienen in einer Serie unter dem Namen "Nevek, ????, Names", finanziert von der "Beate und Serge Klarsfeld Foundation" bei Yad Vashem (Jerusalem) herausgegeben.
Ein weiterer Beweggrund für meine Schrift war, dass man sehr wenig über die Selektionen im Lager weiß. Als ich mich im Juli 1998 in Yad Vashem dazu erkundigte, erhielt ich von der Vizedirektorin des dortigen Archivs folgende Antwort: "Bezüglich Ihrer Anfrage hinsichtlich Informationen zu Selektionen im Krankenrevier u. Lagerselektionen bzw. Nachselektionen: Es existiert tatsächlich keine Aktengruppe, in der dezidiert Material über Nachselektionen gesammelt wäre, aber ich teile Ihre Ansicht, dass es mit ziemlicher Sicherheit noch mehrere Fälle wie den Ihren gegeben hat und sich in unserem Archiv auch mit großer Wahrscheinlichkeit diesbezügliche Zeugenaussagen befinden.
Ich muss Ihnen aber leider mitteilen, dass wir uns momentan außerstande sehen, die in Frage kommenden Aktenbestände (ca. 750 Akten) nach den gewünschten Informationen abzusuchen. Sollte es Ihnen möglich sein, nach Israel zu kommen, steht Ihnen unser Archiv selbstverständlich offen, und soweit wir Ihnen behilflich sein können, tun wir es gerne."
Es hat etliche Jahre gedauert, bis ich entsprechende Berichte fand. Die erste Veröffentlichung durfte ich gegen Ende der 1940er Jahre gesehen haben, leider konnte ich dieses Buch später nicht mehr finden. In den 1990er Jahren fand ich in Martin Gilberts Buch Holocaust - The Jewish Tragedy (London 1986) zwei Kapitel über Selektionen, die verwendeten Dokumente stammen aus der 68. und 71. Sitzung des Eichmann-Prozesses (1961), es handelt sich um die Zeugenaussagen von Joseph Zalman Kleinman und Nahum Hoch.
Nach den Erinnerungsfeiern zum 50. und 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz (1995 u. 2005) erschienen weitere diesbezügliche Zeitungsartikel in Kanada, Israel und Tschechien. Auf der Homepage von degob.hu (Deportaltakat Gondozo Orszagos Bizottsag / Landesfürsorge-Komitee der Deportierten) fand ich weitere Zeugenaussagen über Lagerselektionen. Leider fehlen bei den meisten Berichten die Details, so dass schwer zu beurteilen ist, ob von denselben oder von ähnlichen Ereignissen berichtet wird.
Ein anderer Fall, der mich stark interessierte, ist die Glaser-Liste - in meinen Augen - ein sehr vernachlässigtes Kapitel: Es handelt sich um eine Liste, die ein Kapo der Kleiderkammer in Auschwitz-Birkenau über die arbeitsfähigen Männer der eintreffenden Transporte in dem Zeitraum zusammenstellte, als auch die ungarischen Massentransporte ankamen. Was mich noch immer beschäftigt, Wie ist es möglich, dass nach 67 Jahren noch immer nicht geklärt ist, wann die 137 Transporte, die Kassa in Richtung Auschwitz-Birkenau passierten, ihren Bestimmungsort erreichten.
Esslingen/Schweiz, 20. Februar 2011
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