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Arm, ledig, schwanger
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Arm, schwanger, unverheiratet: Im 19. Jahrhundert war die Kieler Gebäranstalt für schleswig-holsteinische Frauen in dieser Lage oftmals der einzige Zufluchtsort. Dort konnten sie kostenfrei Aufnahme finden, dort konnten sie sich von Hebammen und Ärzten versorgen und entbinden lassen und dort wurde ihnen die übliche Strafe für außerehelichen Geschlechtsverkehr erlassen.
Als König Christian VII. von Dänemark 1805 an der Kieler Universität eine akademische Hebammenschule und ein Gebärhaus gestiftet hatte, war er damit einem allgemeinen Trend gefolgt. Seit Menschengedenken hatten Schwangerschaft und Geburt allein in den Händen von Frauen gelegen. Im 18. Jahrhundert aber hatten männliche Mediziner damit begonnen, sich mehr und mehr auf dem Feld zu betätigen. Schwangere wurden jetzt zu Patientinnen erklärt. Die Geburtshilfe wurde zur wissenschaftlichen Disziplin.
Ein eindrucksvolles Zeugnis der allmählichen Verwissenschaftlichung der Geburtshilfe ist die sogenannte Kieler Beckensammlung. Über mehrere Jahrzehnte hinweg trugen die Leiter der Gebäranstalt Präparate weiblicher Beckenknochen zusammen. Die Knochen entnahmen die Ärzte den Körpern von Frauen, die in der Gebäranstalt unter einer Geburt oder im Wochenbett gestorben waren. Um Erlaubnis hatte man die Frauen nicht gefragt. Mit nichts als einer Nummer versehen, wurden ihre sterblichen Überreste Teil einer wissenschaftlichen Systematik.
Diesen Umstand und die heute noch erhaltenen Präparate nimmt das Buch zum Ausgangpunkt. Es geht der Frage nach, wer die Frauen waren, deren Körperteile in die Sammlung aufgenommen wurden, und untersucht, wie sie in die Situationen gerieten, die schließlich zu ihrem Tod in der Gebäranstalt führten.
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