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Das tapfere Schneiderlein / The Brave Little Tailor
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Die Märchen der Gebrüder Grimm sind nach Luthers Bibelübersetzung die meistgelesene Literatur in deutscher Sprache. Die seit 1806 nach mündlichen Erzählungen aufgezeichneten "Kinder- und Hausmärchen" gehören heute maßgeblich zur deutschen Volksdichtung.
Ihre Geschichten und Charaktere haben unzähligen Kindern ihre Phantasie beflügelt und ihr Denken und Fühlen bestimmt.
Aber Grimms Märchen wurden auch über die Jahrzehnte immer wieder mit Argwohn von Ideologen und Besserwissern beäugt und diskreditiert.
Die vorliegende Spielfassung entstand vor 40 Jahren. Als junger Regisseur richtete sie Heinz-Uwe Haus ursprünglich für eine eigene Aufführung am Stadttheater Brandenburg ein. Ganz im Sinne der Grimms war "kein Umstand hinzugedichtet oder verschönert und abgeändert worden". Die szenische Verdichtung strebte wie deren ursprüngliche Aufzeichnung nach Wiedergabe des ursprünglichen kunstlosen Tons der volkstümlichen Märchenerzähler. Kurz vor der Premiere wurde der Text von der Zensur als "kleinbürgerlich-restaurativ" und, wie es im Kaderwelsch hieß, wegen einer "unserem Kindertheater fremden kosmopolitischen Auffassung von Volkstümlichkeit und fehlender psychologischer Vertiefung" verboten (und mußte durch eine im Sinne der SED-Ideologen "sozialistisch-realistische" Adaption eines anderen Autors ersetzt werden). Ein Aufführungsvertrag mit einem weiteren Theater wurde daraufhin ebenfalls für nichtig erklärt.
Damit verschwand der Text erst einmal ins Archiv. Über Jahrzenhnte diente die Erinnerung an die Vorkommnisse um das tapfere Schneiderlein als Beleg für die Absurditäten des DDR-Regimes. Erst als im letzten Jahr zufällig eine Theatergruppe in den USA auf Haus' Bearbeitung stieß und der Germanist James Stark sie übersetzte, entschloß sich der Autor den verblichenen Ormig-Abzug in Druck zu geben.
Auch heute noch ist es beeindruckend, wie die Bühnenfassung in den Vorgängen und Situationen (auch im Sprachduktus) sich zum Charakter des Volksmärchens bekennt. Zu spüren ist, daß es dem jungen Regisseur vor 40 Jahren vor allem die gestische Sprache und ihr "Verfremdungseffekt" angetan haben. Die holzschnittartigen szenischen Stationen widersetzen sich naturalistischer Darstellung und verlangen theatralischen Formwillen. Sie erinnern an Hans Sachs, Kleists Puppentheater und Brechts "Urfaust"-Fassung. Die Texte sind sowohl eine Herausforderung zur professionellen Aufführung als auch zum Lesen und Spielen in der Familie.
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