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Der Menschen neue Kleider
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Dierk Stuckenschmidt
Der Menschen neue Kleider
Das Märchen vom Kaiser, seinen Hofschranzen und dem betrügerischen Schneider: nur ein unschuldiges Kind erkennt, daß der hohe Herr nackt ist. Damit beginnt die Plauderei über die Deutungen, die wir Menschen unseren eigenen Rollen und damit schließlich auch der Welt zu geben bemüht sind. "Nacktheit" ist eine Vorstellung, die uns unangenehm und zugleich auch lustvoll erscheint. Der Wahl ihrer Kleidung widmet die Menschheit ihre größten Anstrengungen. Das gilt oder galt erstaunlicherweise sogar für die Ureinwohner heißer Länder, die in den Augen der europäischen Entdecker "gar nichts anzuhaben" schienen, aber doch durch ihre Erscheinung und ihre Riten und vieles andere mehr durchaus Identität besaßen.
Schritt für Schritt führt dieser geistige Spaziergang von der vertrauten Kleiderthematik zu den unendlich vielen Gebieten, in denen sich der zweifellos überall gleich nackt geborene Mensch seine individuelle oder aber auch uniformierende Erscheinung zu schaffen verstanden hat. Von den Bauern eines fiktiven Dorfs am Ende der mitteleuropäischen Völkerwanderungszeit geht es zu den Werken von Kultur und Zivilisation, den sozialen Gliederungen, Religionen, Sprachen, dem Essen. Dann aber melden sich zusätzlich die inneren Antriebe, aus denen Liebe und Hass und zugleich in quasi-vernünftiger Reflexion die Bindungen von Ehe und Familie und einer Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen entstehen. Wirklich auf der Seite der Vernunft folgen schließlich die Erkenntnisse der Wissenschaft, die "Darwin-Finken" und die DNA.
Doch leider haben in der Geschichte der Menschheit ja immer wieder schlechte Ratgeber und unzureichend durchschaute Triebe die Oberhand gewonnen. Aus dem prinzipiell vernünftigen Kleidungsbedarf wurden die Uniformen der Soldaten und Mönche, politische Auseinandersetzungen von beispielsweise "Roten" und "Schwarzen" ließen Kriege entstehen. Im so fortschrittlichen Mitteleuropa folgten der "braune" Nationalsozialismus und die Spaltung der Welt in "Ost" und "West". Doch während man historisch und auch aktuell heute meist von Glaubenskonflikten wie dem zwischen Christentum und Islam spricht, sieht der Autor die größeren Unterscheidungseinheiten in den von "Abrahamiten" und "Dharmiten" bewohnten Weltregionen - leichter zu identifizieren nach ihren wesentlichen Grundnahrungsmitteln (oder "Kleidern des Essens") Brot und Reis.
Im Gedanken an die gegenüber der Millionen Jahre alten Existenz unserer Erde doch sehr kurze Menschheitsgeschichte, in der alle diese "Kleider" entstanden sind, wünscht er der heute so kommunikativen Welt einen Ausgleich in diesen beiden Haupt-Lagern. Ob wohl die kleine, aber so außergewöhnliche Kultur Japans eine Brücke zwischen den beiden schlagen könnte? Das einmalige Phänomen der japanischen "Kleider-Dopplungen" in jedem Menschen sollte uns zum Nachdenken anregen.
Für den Autor bietet die "Kleider"-Metapher schließlich auch eine zusätzliche Deutung von "Leben" und "Sterben", die einer Absage an die Vorstellung vom "Tode" gleichkommt.
Sein Fazit ist mehr als die erwartete Resignation in der Frage nach dem "richtigen Weg". Die Fülle der verlockenden Angebote führt ihn dazu, seinen Mitmenschen als besonderes Möbelstück ihres Lebenshauses die Anschaffung eines "Großen Kleiderschranks" zu empfehlen.
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