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Die Schutzbefohlenen

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Wir sind gekommen, doch wir sind gar nicht da", sagt der Chor in Elfriede Jelineks "Die Schutzbefohlenen". Obwohl sie in jüngster Zeit überall präsent sind, die Bilder von Flüchtlingsmengen, die sich auf Booten drängen und unter Lebensgefahr die Festung Europa zu erobern suchen, oder von aufbegehrenden Asylbewerbern in deutschen Städten, die auf öffentlichen Plätzen in den Hungerstreik treten, um auf ihre problematische Behandlung aufmerksam zu machen, Stimmen haben diese Menschen selten. Anders in Jelineks Text: Hier meldet sich ein Chor aus Flüchtlingen und Asylsuchenden in einer lautstarken Litanei zu Wort und wird doch ungehört bleiben von den Angerufenen. Geschrieben als Reaktion auf jüngste Asylproteste in Wien, wo eine Gruppe von Flüchtlingen die Votivkirche besetzte, und später durch Zusatztexte zur Flüchtlingssituation auf Lampedusa erweitert, überführt Elfriede Jelinek in "Die Schutzbefohlenen" das Tagespolitische ins uralte Menschheitsdrama von Flucht und Abweisung: Die puzzleartig aufscheinenden aktuellen Ereignisse verweben sich mit anderen Texten und Diskursen, unter anderem mit "Die Schutzflehenden" des Aischylos. Aus den Schutzflehenden in der ältesten bekannten griechischen Tragödie werden aber vor dem Hintergrund von aufgeklärter westlicher Welt und vermeintlich allgemein gültigen humanistischen Werten die Schutzbefohlenen: also diejenigen, denen man verpflichtet ist, Schutz zu geben. Und es wird die Verweigerung dieses Schutzes nicht weniger als zum Verrat am Menschenrechtsgedanken selbst. Es ist nicht zuletzt die Entlarvung solchen Verrats, um den es im einmal devoten, einmal spöttischen und auch wieder sehr resignierten Chor der Schutzbefohlenen geht, in den sich auch andere Perspektiven mengen. In die Stimmen der Schutzsuchenden nisten sich die der Gegner und die von Ausnahmeerscheinungen, denen aus politischer Gefälligkeit, wegen "besonderer Verdienste" oder einfach nur wegen ihrer Prominenz Sonderbehandlung zuteilwird. "Der immanente Agon von Rede und Gegenrede, von projizierter Rede und wiederholter Rede, den Fremden in den Mund gelegter Rede macht den Verrat am Menschenrechtsgedanken in den westlichen Gesellschaften deutlich, ob es sich um Österreich, Deutschland oder anderswo handelt: , Und wenn sie erst mal da sind, liegen sie uns auf der Tasche', diese Asylbewerber, , das werden wir verhindern'. Im Chor sind alle Stimmen da, neben Hölderlin die xenophobische von Gierbürgern und sogar eine vom Heideggervokabular überformte, deformierte (...). Die Jelineksche Sprache bewirkt das im Heideggerschen Sinne Eigentliche: Sie macht in den Variationen der Prätext-Zitate, den Umdrehungen und Wieder-Umdrehungen sprachlicher Verdrehungen die zu bloß papierner Wahrheit in den Köpfen der Bürger (auch der Politiker als Bürger) verkommene Schutzpflicht des Staates sichtbar, die der Staat gerade denen gegenüber hat, denen die Verwirklichung der Menschenrechte schon in ihren Heimatländern vorenthalten bleibt: Die Schutzbefohlenen finden auch in den Ländern keinen Schutz, die die Menschrechte immerzu anderswo einklagen, weil sie ja bei ihnen angeblich verwirklicht sind." (Bärbel Lücke)
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