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Erzählen im alten Japan
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Die Menschen erzählten und erzählen in "nahezu unendlichen Formen zu allen Zeiten, an allen Orten und in allen Gesellschaften". So formulierte Roland Barthes Mitte der 1980er Jahre das, was heute zum Grundwissen der Narratologie gehört, und nichts könnte diese Behauptung wohl besser belegen als eine Literatur, die zeitlich und räumlich so weit entfernt ist wie die älteste Literatur Japans. Der Tatsache, dass in japanischen Mythen erzählt wurde, ist nichts entgegenzusetzen. Aber wie sieht im alten Japan mit den "nahezu unendlichen Formen" aus, von denen Roland Barthes spricht?
Dieser und anderen Fragen und deren Beantwortung widmet sich Robert F. Wittkamp. Sein Untersuchungsgegenstand ist dabei weniger die japanische Geschichtsschreibung, in der auch die Mythen überliefert sind, sondern das Man'yoshu, Japans älteste Sammlung von Dichtung in gebundener Sprache. Deren zwanzig Bände mit über 4500 Texten, die ab Ende des siebten Jahrhunderts zusammengestellt wurden, werden gemeinhin als Lyrik rezipiert. Die Gedichte der ersten beiden Bände bilden jedoch im Verbund mit kurzen Prosatexten wie Titeln, Vor- und Nachbemerkungen oder Anmerkungen originelle Formen der Erzählung und Geschichtsschreibung, die es gilt, narratologisch herauszuarbeiten und darzustellen.
Das Buch richtet sich an eine Leserschaft mit einem Interesse an den Erzählungen aus einer Zeit, als die bekannten Formen noch nicht ausgehärtet waren. Es deckt alternative Entwürfe auf, die Licht auf das werfen, was in der Forschung zum Man'yoshu bisher im Schatten lag, und die Konzentration auf die ersten beiden Bände trägt zum grundlegenden Verständnis der Sammlung bei.
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