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Kafkas Erzählung "Die Verwandlung"
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Die Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten in der Erforschung der Lebensumstände Kafkas gemacht worden sind, erlauben jetzt, die »ästhetische Differenz« zwischen autobiographischem Hintergrund und Fiktion genauer zu bestimmen. Da der Grundriß der Wohnung, in der die »Verwandlung« geschrieben wurde, aufgefunden werden konnte, läßt sich feststellen, an welchen Punkten Kafka bei der Darstellung des Schauplatzes von dem ihn umgebenden Ambiente abwich.
Binders Studie gliedert sich in 5 Teile:
Das erste Kapitel ist der Entstehung der Erzählung gewidmet. Die Niederschrift fällt in eine Lebensphase Kafkas, die quellenmäßig besonders gut belegt ist. Auch liefert die vollständige Auswertung der Handschrift neue wichtige Erkenntnisse über die einzelnen Schreibetappen.
Das zweite Kapitel behandelt die Druckgeschichte, die sich aufgrund zweier an Kafka gerichteter Briefe Robert Musils anders und mehrschrittig darstellt. Auch bisher bekannte Brief- und Tagebuchzeugnisse müssen aufgrund dieser Korrespondenz anders verstanden werden.
Das dritte Kapitel stellt den Schwerpunkt der Studie dar. Die »Verwandlung« ist die einzige in Kapitel unterteilte Erzählung in der Er-Form, die vollendet und von Kafka selbst veröffentlicht wurde. Sie verkörpert die Erzählweise, die er im »Verschollenen« und im »Process« zu verwirklichen suchte, und erlaubt deswegen wie kein anderer Text, Kafkas Ästhetik und Erzählprinzipien an einem vollendeten und von ihm selbst autorisierten Erzählwerk zu studieren. Ausführlich analysiert Binder Erzählperspektive, Innenwelt, Humor, Körperwahrnehmung, Dialogtechnik und die Prinzipien der Verkettung, Bewegung, Entwicklung, Zeitschichtung, Entsprechung und Segmentierung.
Das vierte Kapitel gilt dem Gehalt der Dichtung.
Binder stellt das Prinzip des Rollentausches dar, das auf verschiedenen Ebenen der Gestaltung erlaubt, Personen als Opfer von Vorgängen zu zeigen, an denen sie zu anderen Zeitpunkten als Täter beteiligt waren. Die Tiergestalt des Helden ist kein Bild schuldhafter Depravierung, sondern Ausdruck des Unvermögens, sprachlich mit seiner Umgebung zu kommunizieren.
Das fünfte Kapitel behandelt die vielfältige Rezeptionsgeschichte und die Wirkung der »Verwandlung« auf das Werk anderer Schriftsteller. Die Palette der Aneignung reicht von der flüchtigen Anspielung bis zu dem Versuch, Kafkas Text als ganzes in ein anderes Milieu zu übertragen. Dabei sind besonders die Leerstellen in Kafkas Text von Bedeutung, die gleichsam als Katalysatoren poetisches Potential entbinden.
Neuauflage/Nachdruck unbestimmt