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Kommunikation und Verstehen
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Mit seiner Gedenkrede zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht löste der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger im November 1988 einen Skandal aus, da er mit seinem unerwarteten Redestil und dem Ansprechen gesellschaftlicher Tabus öffentliche Reaktionen hervorrief, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Zahlreiche Wissenschaftler haben sich an einer Erklärung des Phänomens versucht, konnten aber nicht darlegen, warum ein und derselbe Text unterschiedliche Auslegungen in der Öffentlichkeit erfahren hat. Anstatt die zentralen Probleme der multiplen Interpretation und der Wirkungsdivergenz zu thematisieren, wurde eine bestimmte Leseart als die allein richtige herausgestellt. Es gibt aber nicht eine «richtige» und mehrere «falsche» Lesearten, sondern nur verschiedene «teilweise richtige» Lesearten, dies gilt besonders in bezug auf die Jenninger-Rede. Diesem Problem begegnet der Autor in seiner Untersuchung, indem er neue Ansätze einer Kommunikations- und Verstehenstheorie auf der Basis des Zeichenbegriffs entwickelt, die zum einen auf der Semiotik von Peirce und Eco und zum anderen auf der Interpretationsphilosophie von Abel und Lenk beruht. Somit bietet er eine semiotische Kommunikationsanalyse des gesamten Diskurses über den Fall Jenninger. Die öffentliche Reaktion in der Bundesrepublik Deutschland wird zurückgeführt auf den Grundkonflikt zwischen erwarteten legitimen Verhaltensweisen und gesellschaftlichen Normverletzungen, so daß der Skandal um die Jenninger-Rede als Folge eines kombinierten Tabu- und Erwartungsbruchs anzusehen ist. An diesem Umgang mit der NS-Vergangenheit wird deutlich, daß sich die Deutschen - damals wie heute - in einer Identitätskrise befinden.
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