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Probabilistische Modellierung von Versagensprozessen bei Staudämmen
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Staudämme sind komplexe Ingenieurbauwerke, deren Versagen in der Vergangenheit umfangreiche Folgen nach sich gezogen haben. Die international verbreitete Bestrebung, die aus den Stauanlagen erwachsenden Risiken zu analysieren und zu beurteilen sowie mit den Restrisiken umzugehen, findet zunehmend auch in Deutschland Eingang in konzeptionelle Ansätze und wird in der DIN 19700 für Stauanlagen festgeschrieben. Ein umfangreiches und in der Dissertation beschriebenes Werkzeug, um die Risiken von wasserbaulichen Anlagen fundiert zu betrachten, liegt am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der RWTH Aachen mit dem Verfahren RAPID (Risk Assessment: Probability, Inundation, Damage) vor. Der weithin anerkannten Definition aus dem technischen Anwendungsfeld folgend wird das Risiko als Produkt aus der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines unerwünschten Ereignisses und den daraus erwachsenden Konsequenzen betrachtet. Letztere sind für den Bereich der Ökonomie umfangreich, für die Ökologie und den Bereich der psychosozialen Schäden teilweise einer Quantifizierung zugänglich, so dass bei einer Quantifizierbarkeit auch von Wahrscheinlichkeiten durch die mathematische Berechnung von Risiken ein Weg zur Objektivierung von Risikoaussagen eröffnet wird. Die Zielsetzung der Arbeit wird deshalb in den Kontext der quantitativen Bestimmung von Versagenswahrscheinlichkeiten für Staudämme gelegt.
Die probabilistische Versagensmodellierung ist eine Methode zur rechnerischen Ermittlung von Versagenswahrscheinlichkeiten, welche es ermöglicht, die physikalische Grundlage von Versagensprozessen detailliert abzubilden. Dieses Merkmal und die Verwendung wissenschaftlich fundierter und anerkannter konzeptioneller Rechenmodelle macht sie gegenüber alternativen Verfahren überlegen. Ein Studium der Literatur zeigt, dass probabilistische Modellansätze zwar existieren, potentiell relevante Versagensmechanismen jedoch nur bis zu einer begrenzten Detailtiefe ausformuliert werden. Darüber hinaus ist kein Modell dokumentiert, welches das breite Spektrum relevanter und wesentlicher Gefährdungen für Staudämme abdeckt. Für das im Rahmen der Dissertation neu entwickelte generische probabilistische Versagensmodell PrEDaF (Probability of Embankment Dam Failure) werden für interne und externe Gefährdungen komplexe Versagensmechanismen formuliert und mit analytischen, empirischen und numerischen Ansätzen hinterlegt. In vier Hauptmodulen werden die externen Gefährdungen Hydrologische Ereignisse, Seismologie, Hangrutschungen in den Stauraum und das Versagen oberstromiger Stauanlagen sowie die daraus umfangreich ableitbaren Versagensmechanismen mathematischphysikalisch beschrieben und über die Eintrittswahrscheinlichkeiten der entsprechenden Initialereignisse ein zeitlicher Bezug der ermittelten Versagenswahrscheinlichkeiten hergestellt. Innere Erosionsprozesse, geostatische Vorgänge und Einflüsse aus Überwachungsmaßnahmen werden in den vier Hauptmodulen untergeordnet, jedoch ebenso detailliert, prozessorientiert und wissenschaftlich fundiert berücksichtigt. Die Transformation von Auftretenswahrscheinlichkeiten sowie aleatorischen und epistemischen Unsicherheiten in konzeptionellen Modellen und in den im Modell verwendeten Parametern zu Versagenswahrscheinlichkeiten erfolgt mittels Monte-Carlo-Simulationen und daran angelehnter Verfahren zur Varianzreduktion.
Im Zuge der Analyse von konzeptionellen Modellansätzen für innere Erosionsprozesse wird erkannt, dass für die Interaktion von mineralischen Dammkernmaterialien mit angrenzenden mineralischen Filterkörpern, in so genannten Basis-Filter-Systemen, in Bezug auf differenzierte Aussagen zur Stabilität Defizite bestehen. Differenzierungen sind innerhalb eines probabilistischen Modells von besonderem Interesse, um nicht nur zwischen einer Erosion von Kernmaterial und deren Ausbleiben zu unterscheiden, sondern zu erwartende Erosionsausmaße abschätzen zu können. Dieser Schritt wird als besonders wichtig herausgestellt. Weil bekannte Filterkriterien deterministisch und dabei in Bezug auf eine Erosion eines Basiserdstoffs in einen Filterkörper trennscharf sind, wird mittels logistischer Regressionsanalysen aus einer sehr umfangreichen Basis von Laborversuchsdaten (so genannte No-Erosion-Filter(NEF)-Tests) ein probabilistisches Filterkriterium für feinkörnige Basiserdstoffe abgeleitet. Dieses unterteilt den Bereich der zu erwartenden Erosion eines Basiserdstoffs und ermöglicht damit nach Einbindung in das Modell PrEDaF die differenzierte Betrachtung möglicher Folgemechanismen. Es erlaubt darüber hinaus auch im Hinblick auf die Bemessung von Filterkörpern verbesserte Aussagen.
Am Beispiel einer fiktiven Stauanlage wird der Einsatz des erarbeiteten probabilistischen Modells PrEDaF dargestellt. Es wird dabei auch gezeigt, dass sich das entwickelte Modell sehr gut für die Bewertung von konstruktiven und organisatorischen Maßnahmen zur Minderung der Versagenswahrscheinlichkeiten von Staudämmen eignet. Dies erlaubt die zielgerichtete Minderung von Risiken.
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