Reden ist immerhin Silber

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Als eine Zeitschrift zum ersten Mal eine Reportage über mich plante, fühlte ich mich geschmeichelt. Ein Journalist und ein Fotograf würden zu mir nach Hause kommen. Ich reservierte mir einen ganzen Tag. Meine Frau brachte alle Zimmer auf Hochglanz, kaufte einen dekorativen Blumenstrauss, besuchte den Coiffeur, und auch ich zog mir zumindest ein frisches Hemd an und wartete gespannt auf unsere Gäste. Was wir dann erlebten, sollte sich in den nächsten Jahren oft wiederholen. Der Illustrierten-Fotograf fährt mit zirka einer Tonne Material vor. Um zu einem richtig schönen Bild zu kommen, braucht er nämlich vor allem eine gute Beleuchtung und stellt daher einige Lampen auf. Diese benötigen natürlich Strom. Kein Problem, unser Meister zaubert umgehend einen Mehrfachstecker und ein paar Verlängerungskabel hervor. Aus praktischen Gründen sowie um das Bild zu optimieren, verrückt er sodann einige Möbel. Die Kommode im Hintergrund stört - so lassen wir uns erklären - die abzulichtende Gesamtkomposition, während sich die Stereoanlage genau an dem Ort befindet, wo der Fotograf selbst beim Knipsen stehen möchte. Mann und Frau sitzen also auf dem Sofa, und zwar mit völlig unnatürlich verdrehten Schulter-, Arm- und Kniegelenken, damit die Höhe stimmt und die Köpfe schön nahe beieinander sind. Zehn, fünfzehn, zwanzig Mal blitzt es dann über das immer gleiche gefrorene Lächeln hinweg, und wenn man die Sache endlich überstanden glaubt, heisst es: «Jetzt machen wir noch Varianten!» " Variante" bedeutet, dass Journalist und Fotograf nun gemeinsam ausloten, wie tief sie in die Intimsphäre ihrer Opfer einzudringen vermögen. «Gebt euch doch mal ein Küsschen! Vielleicht im Profil, mit gespitzten Lippen von Mund zu Mund.» Das Traumziel sei eigentlich immer, jemanden nackt in der Badewanne zu fotografieren, gestand mir der langjährige Chefredaktor.